Unterwegs in Indien!

Mittwoch, 09.12.2015

Hallo Leute,

Wie schon erwähnt, bin ich jetzt schon öfters verreist gewesen und war außerdem in einem Work Camp. Es gibt viele Feiertage, aber manchmal reicht auch schon ein Wochenende, um ganz viel zu sehen und zu erleben. Davon werde ich jetzt berichten, unterstuetzt von ein paar Fotos. ;-)

Meine erste Reise fand Anfang September statt und ging nach Mysore. Obwohl es auf der Landkarte wesentlich kürzer aussieht, braucht man von hier etwa 9 Stunden mit dem Nachtbus. Wir fuhren Freitagabend los, kamen Samstagmorgen an und fuhren Sonntagabend wieder, sodass wir Montag pünktlich zum Arbeiten in unsere Projekte, trotzdem aber zwei voll Tage in Mysore verbringen konnten. Auf diese Weise verreise ich sehr häufig, denn es hat den Vorteil, dass ich mir nicht extra freinehmen muss. Ich fuhr mit vier anderen Freiwilligen aus Kundapur; in Mysore trafen wir aber noch etwa 30 andere Freiwillige aus allen Teilen Südindiens. Obwohl Mysore viel zu bieten hat, habe ich deswegen an diesem Wochenende, außer einem sehr bunten Markt, nicht viel davon gesehen. Dafür waren wir Pizza essen, die sogar geschmeckt hat und das Wissen, dass ich nur eine Nacht mit dem Sleeperbus fahren muss um richtige Pizza zu kriegen, hat mir in den folgenden Wochen sehr geholfen, den vielen Reis zu ertragen. Inzwischen weiß ich, dass es auch in Manipal Pizzaketten gibt; das ist nicht ganz so weit weg. ;-)

Der Mysore Palace


Zwei Wochen später war ich mit vier anderen Freiwilligen in Shimoga. Das ist etwa 5 Stunden mit dem Bus entfernt. Die Sache war allerdings nicht ganz perfekt durchgeplant, denn wir haben den Fehler gemacht, die Stadt Shimoga mit dem gleichnamigen Distrikt zu verwechseln, sodass wir, als wir dort ankamen, feststellen mussten, dass die Stadt touristisch so gar nichts zu bieten hat und so mussten wir, um zu den Sehenswürdigkeiten, einem Tempel an einem Wasserfall in den Bergen und einem Elefantencamp, zu gelangen über zwei Stunden in die Richtung fahren, aus der wir gekommen waren und abends dann wieder zurück nach Shimoga. Das war etwas unnötig, aber Spaß hatten wir trotzdem. :D In dem Elefantencamp konnten wir Elefanten beim Baden zusehen, sie streicheln und auf einem reiten. Außerdem wurde ich von einem gesegnet, indem er mir seinen Rüssel auf den Kopf gelegt hat.

Der Bergtempel, zwei Stunden von Shimoga

Das Wochenende danach habe ich im Norden des Bundesstaats Kerala verbracht. Dort habe ich das Bekal Fort besucht. Das ist eine riesige Anlage direkt am Meer. Deswegen ist die Aussicht unglaublich schön!

Bekal Fort Bekal Fort Bekal Fort

Wegen eines Feiertags in der Woche darauf war ich in Bangalore, der Hauptstadt von Karnataka. Bangalore ist eine sehr große Stadt, in der die Menschen zum Teil westlich anmutend herumlaufe, d.h. es gibt Frauen in Jeans und T-Shirt und einige tragen sogar kurze Hosen, was ich echt nicht mehr gewöhnt bin, obwohl es verständlich ist bei über 30 Grad. In Bangalore habe ich zwei Freunde aus Chennai wiedergetroffen und wir haben uns die Stadt gründlich angeschaut (allerdings müssen wir irgendwann nochmal hin, denn wir haben längst nicht alles gesehen). Es gibt dort mehrere Paläste, Tempel, Moscheen, Märkte, Museen und Gärten. An diesem Wochenende wurde auch die deutsche Einheit gefeiert. Anlaesslich dieser fand ein Filmfestival statt, bei dem deutsche Filme über die DDR und Wende gezeigt wurden. An zwei Tagen habe ich es besucht und mir “Good-Bye Lenin”, “Das Leben der Anderen” und “Berlin is in Germany” angesehen. An dem Wochenende waren wir uebrigens auch zweimal Pizza und einmal Donuts essen. Man muss eben ausnutzen, was man hat!


Im Oktober waren für zweieinhalb Wochen Schulferien. In der Zeit haben die Freiwilligen, die in Schulprojekten arbeiten aber nicht frei, sondern werden in ein sogenanntes Winter Camp gesteckt (auch wenn man bei den Temperaturen nicht von Winter sprechen kann). Ich kam mit neun anderen in einem Waisenhaus in Byndoor unter, etwa zwei Stunden von Heskathur, wo wir vor allem Renovierungs-, Aufräum- und Gartenarbeiten erledigen mussten, die meiste Zeit aber „gerested“ haben. Wir haben gefühlt die Hälfte der Zeit auf der Terrasse rumgehangen, weil der Projektleiter der Meinung war, gerade die Mädchen sollten sich nicht überanstrengen. Wir haben auch oft Ausflüge gemacht, waren auf einer Hochzeit oder haben was mit den Kindern unternommen. An einem Abend haben wir ein Lagerfeuer mit Stockbrot veranstaltet, was die Kinder ganz toll fanden.

Workcampleute beim Streichen im Waisenhaus in Byndoor. Mit dem Bild wollten wir uns eigentlich bei einem Fotowettbewerb bewerben

Wegen des Dasara-Festivals hatten wir drei Tage frei, die wir dank eines vorgearbeiteten Wochenendes mit einem weiteren Wochenende verbinden und auf acht Tage verlängern konnten, sodass wir nach eineinhalb Wochen das Waisenhaus wieder verließen, um den Rest der Zeit zu verreisen. Für drei Tage sind wir dann nochmal nach Mysore gefahren, wo das Dasara-Festival sehr groß gefeiert wird. Mysore ist zu einem Freiwilligentreffpunkt für Freiwillige aus ganz Südindien geworden, deswegen waren auch diesmal wieder 40 oder 50 Leute da. Ich habe mich mit zwei Freunden aus Chennai abgeseilt und wir haben uns angesehen, was Mysore noch zu bieten hat, außer einem Hoteldach voller Deutschen. Das wären ein überwältigender Palast, der wegen Dasara beleuchtet war und ein Musikprogramm anbot, ein Hill mit 1000 Stufen, die wir bei indischer Mittagshitze hochgekraxelt sind, sowie ein kleines Museum und mehrere Bauten im Kolonialstil. Am letzten Tag des Festivals fand noch eine berühmte Parade statt, die wir uns in voller Länge von vier Stunden angeschaut haben. Wir saßen ganz untouristisch vorne auf dem Boden zwischen lauter Indern, hatten aber eine sehr gute Sicht.

Unser Sitzplatz in der ersten Reihe bei der Parade Der Mysorepalace bei Nacht


An dem Abend habe ich mit meinen Winter Camp Leuten dann den Nachtbus nach Kerala genommen. Wir sind am nächsten Morgen in Kannur angekommen, waren da abends in einem Zirkus (beachte bitte das Foto mit dem coolen Kamel) und haben am nächsten Tag eine Bootstour in den Backwaters gemacht. Am dritten Tag fuhren wir nach Wayanad weiter, wo wir am darauffolgenden Tag eine Jeeptour durch das Wildlife-Gebiet machten, wobei wir diverse Tierarten beobachten konnten. Danach teilte sich unsere Gruppe auf, weil einige früher nach Hause mussten, sodass wir zu fünft übrigblieben und für die letzte Nacht nach Kasaragod fuhren. Wir kamen um elf Uhr abends dort an. Um diese Zeit ist in Indien nicht mehr viel los und keines der unzähligen Hotels, in denen wir fragten, war gewillt uns noch aufzunehmen, weswegen wir dann draußen geschlafen haben. Das war aber auf jeden Fall eine Erfahrung wert!
Am nächsten Tag haben wir das Bekal Fort besichtigt, in dem ich zwar vorher schon war, das aber auf jeden Fall einen zweiten Besuch wert ist (auch wenn man den unverschämt teuren Ausländerpreis zahlen muss...grmpf). Danach fuhren wir alle nach Hause und am nächsten Tag fing die Schule wieder an.

Die Backwaters von Kerala Der Wayanad Park Das Kamel aus dem Zirkus Unsere Reisetruppe aus dem Workcamp

Vor vier Wochen fand das Diwali-Festival statt, das für Hindus das wichtigste Fest im Jahr ist. Deswegen hatte ich drei Tage frei und habe einen Tag vorgearbeitet um inklusive Wochenende sechs Tage am Stück freizukriegen. Diese Zeit habe ich genutzt um mit ein paar anderen nach Mumbai zu fahren. Die Zugfahrt dauert 15 Stunden. Für die Hinfahrt hatten wir in einem Sleeperabteil Schlafplätze reserviert und so eine ganz schöne Fahrt. Reserviertes Zugfahren in Indien lohnt sich auf jeden Fall, denn man hat meistens eine sehr schöne Aussicht aus den Fenstern und ständig laufen Verkäufer hin und her, die Tee, Kaffee, Snacks und verschiedene Gerichte verkaufen. Wir kamen um sechs Uhr morgens in Mumbai an und konnten uns schon das Touristenviertel Colaba anschauen, ohne dass die Sehenswürdigkeiten so überfüllt waren wie kurze Zeit später. Wir waren auch auf Elephanta Island, bei den Kanvehri Caves, in einem sehr großen Wäscheviertel, wo auf den Straßen unglaubliche Mengen an Wäsche gewaschen werden, und in dem Haus, in dem Mahatma Gandhi mal gelebt hat und wo jetzt ein Museum ist.
Mumbai unterscheidet sich in vielen Punkten von dem Indien, das ich bisher erlebt habe. Zum Einen ist die Stadt deutlich stärker westlich beeinflusst. Das erkennt man an der Kleidung, aber auch am Verhalten der Menschen. Es gibt sehr viele Touristen, sodass man selbst als Weißer kaum auffällt. Außerdem bieten viele Läden und Restaurants Dinge an, die man auch in Europa bekommen kann. Vor allem aber gibt es überall öffentliche Mülleimer! Das habe ich in Indien sonst noch nirgends gesehen. Dementsprechend sauberer ist die Stadt dafür. Bis auf eine Stelle im Wasser... Überraschend waren die Ampeln, an die sich die meisten Verkehrsteilnehmer gehalten haben. Es war auch wesentlich schwieriger ein Taxi zu finden, das mehr als die vorgeschriebene Anzahl an Personen mitnimmt und Rikschas gibt es innerhalb der Stadt gar keine.

Das Gateway of India in Mumbai am Moorgen... ...das Gateway kurz spaeter Aus einer Hoehle der Kanvehri Caves Kanvehri Caves Mumbais Kueste Elephanta Island Muell im Wasser

Die Rückfahrt war längst nicht so angenehm wie die Hinfahrt. Da seit Wochen alle Züge ausgebucht waren, mussten wir unreserved fahren. Das heißt man kauft ein Ticket ohne Reservierung, sodass man nicht weiß, unter welchen Umständen man die 15 Stunden Fahrt verbringen muss, vorausgesetzt, dass man es überhaupt in den Zug schafft. Wir waren bereits zwei Stunden vor Abfahrt am Bahnsteig, weil wir dachten, dass das unsere Chancen auf einen Sitzplatz erhöhen würde. Kurz bevor der Zug einfuhr, bildete sich ein Schlange vor dem Bereich der Unreserved-Abteile, in die wir uns einreihten. Das hätte uns misstrauisch machen sollen, denn in Indien hält man sich in der Regel nicht an solche Reihenfolgen. Noch bevor der Zug zum Stehen kam, sprangen die ersten Menschen in die offenen Türen der Abteile. In null Komma nichts löste sich die Schlange auf und ein wildes Gedränge begann vor allen Türen. Ich habe mit zwei anderen Freiwilligen versucht mich in Frauenabteil zu quetschen (die Jungen sind in ein normales Abteil gestiegen, haben dort aber die gleichen Erfahrungen gemacht) und lernten eine ganz neue Dimension von Aggressivität und Rücksichtslosigkeit kennen. Wir wurden festgehalten und weggestoßen, alte Frauen wurden umher geschubst und alle zickten sich gegenseitig an. So geht es zu, wenn sich etwa 80 Frauen in einem Abteil mit 24 Sitzplätzen einen Schlafplatz für die Nacht sichern wollen. Als ich mich endlich ins Abteil gekämpft hatte, waren längst alle Sitzplätze wie auch die Gepäckablagen (die niemals für Gepäck verwendet werden) belegt. Man konnte sich kaum noch bewegen und trotzdem stiegen immer mehr Frauen zu. Die ersten eineinhalb Stunden konnten wir uns nicht mal auf den Boden setzten, weil es so voll war. Irgendwann wurde ein Riesensack, den eine Frau als Gepäckstück dabei hatte, so umgedreht, dass wir uns mit einer weiteren Frau darauf setzten konnten. Das war nicht gerade bequem, denn ich konnte mich nicht bewegen, hatte kein bisschen Beinfreiheit und war mit jeder Seite meines Körpers an andere Frauen gedrückt. Zeitweise musste auch die andere Freiwillige auf meinem Schoß sitzen. Nach kürzester Zeit tat uns alles weh. Trotzdem wurde es unser Schlafplatz (wobei von Schlaf keine Rede sein kann, haha). Einige Frauen verbrachten fast die komplette im Stehen, weil es im Sitzen zu unbequem für die Beine war. Richtig geschlafen hat kaum jemand. Das Licht blieb auch die ganze Nacht über an.
Die Frauen waren übrigens ziemlich nett zueinander, sobald alle ihren Platz hatten. Sie teilten Essen, hielten die Kinder von Müttern, die stehen mussten oder keinen richtigen Sitzplatz hatten und ließen sich gegenseitig aufeinander liegen. Ich habe meinen Kopf irgendwann auf den Schoß einer alten Frau gelegt, was sie mir vorher angeboten hatte, weil ich ihn sonst nirgends anlehnen konnte und eine andere Frau hat mich umklammert während sie so versuchte Schlaf zu finden. Am nächsten Morgen gegen sechs stieg ein Großteil der Frauen aus. Ich kletterte auf die Gepäckablage, die zwar auch nicht gerade gemütlich war, auf der ich mich jedoch vollständig hinlegen konnte. Als ich um zwölf Uhr in Udupi aus dem Zug stieg, war ich so müde wie noch nie in Indien und hatte einen ziemlich ekeligen Geruch an mir kleben, aber trotzdem bin ich glücklich über diese Erfahrung. Ich glaube, es gibt einige Dinge an Indien, die man nur versteht, wenn man sich einer solchen Tortur ausgesetzt hat. Die Menschen halten deutlich mehr aus, als Westeuropäer. Ich bin mir sicher, dass in dieser Situation in Deutschland eine Art Massenpanik ausgebrochen wäre. Aber hier beschwert sich keiner, die Menschen haben viel weniger Berührungsängste und das macht alles sehr viel leichter. Es ist wirklich interessant zu erleben, wie so viele Menschen so viele Stunden so eng aufeinander hocken und das gleiche aushalten. Im Nachhinein, war es auch gar nicht sooo schlimm. Ich bin jedenfalls froh, dass wir unreserved gefahren sind. Obwohl ich im Bus bei der Heimfahrt aus Udupi fast die Krise gekriegt hätte, weil so viele Menschen drin waren. Körperkontakt mit Fremden hatte ich fürs Erste genug...

 

Obwohl sich das hier vielleicht anhört, als wäre ich öfter unterwegs als zuhause, fühle ich mich hier immer noch wohl und freue mich jedes Mal, wenn ich von einer Reise zurück in meine Gastfamilie komme. Dann gibt es Tee oder Milch, etwas zu Essen und wenn ich Kekse mitbringe, dann werden diese unter allen aufgeteilt und zusammen gegessen. Am nächsten Tag gehe ich dann wieder in die Schule, wo sich die Kinder freuen mich zu sehen und ich mich freue, sie zu sehen und wo die anderen Lehrer hören wollen, wie die Reise war. ;-)


Und falls sich jetzt einige zu Recht fragen, wie ich es mir leisten kann, soviel unterwegs zu sein, hierzu noch eine Erklärung: Ich bekomme von meiner Entsendeorganisation Afs 100 Euro Taschengeld im Monat und mir steht außerdem Kindergeld zur Verfügung. Soviel brauche ich aber gar nicht. Da ich unter der Woche kaum Gelegenheiten habe, Geld auszugeben, spare ich mein komplettes Geld fürs Reisen. Ich bin dabei ziemlich anspruchslos. Mir reicht ein ranziges Hotelzimmer, auch wenn ich dann das Risiko eingehe, von Bettwanzen zerstochen zu werden (zur Not kann man sich auch auf den Boden legen, da krabbeln nicht so viele), oder dass die Dusche von jetzt auf gleich nicht mehr funktioniert (kann einen in eine blöde Situation bringen, wenn man gerade seine Haare auswaschen will). Außerdem reise ich immer mit anderen und man kann sich ein Doppelbett ja auch zu viert oder fünft teilen. Genauso kann man sich zu sechst in eine Rikscha quetschen. Alles kein Problem und man spart Unmengen an Geld. Zugegeben, Fahrtkosten, Verpflegung und Unterkunft sind nicht ganz so teuer wie in Deutschland, aber wenn ich westliche Standards haben wollte, würde ich auch westlich Preise zahlen und das vermeide ich eben!

 

So, das war es dann fuers Erste. Ich habe aber noch laengst nicht alles von Indien gesehen, was ich sehen will, deswegen werde ich wohl noch oefter unterwegs sein und zu gegebener Zeit auch darueber schreiben!

 

Viele, liebe Gruesse!

Daria